„Man muss auch beim Kata und Kumite Training die Bewegungen der Arme und Beine bis ins kleinste streng bewerten und korrigieren, aber nicht aus Sicht von Körperertüchtigung oder Sport, sondern aus Sicht der Kampfkunst. Man darf nicht glauben, man könne den Kampfkunstgehalt des Kata- und Kumitetrainings vervollkommnen, indem man beides in Sport oder Vergnügung verwandelt.“ (Mabuni Kenwa, 1938, Begründer Shito Ryu

 

Kihon, Kata und Kumite…

Das Karatetraining wird gern in drei Bestandteile unterteilt. Sie werden häufig auch die „drei Säulen des Karate“ genannt. Solch eine Unterteilung führt jedoch schnell zu einer Trennung der miteinander verwobenen Bestandteile, hin zu eigenständigen Disziplinen. Die drei Säulen sollten sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Die in Kihon (isolierte Grundschultechniken), Kata (theoretisch-praktischer Kern der Kampfkunst) und Kumite (Partnerübungen, -anwendungen und Kampf) antrainierten Bewegungsprinzipien und Strategien müssen dieselbe Strategie verfolgen. Mit der Zeit sollen sie in Fleisch und Blut übergehen, um im Notfall ohne Nachzudenken abrufbar zu sein.

Der (westliche) Mensch unterteilt und trennt gerne, um komplexe Systeme für die Lernenden einfacher zu gestalten. Eine solche Methodik sollte jedoch nicht dazu führen, dass sich aus dem Ganzen einzene abgetrennte Gebiete ergeben, die sich vereigenständigen. So lässt sich in der Moderne eine Entwicklung der 3 Säulen des Karate voneinander weg erkennen. Vermutlich haben zunächst die Veröffentlichung des Karate in Form von Kindertraining (zur Stärkung der jungen und damit der gesamten Gesellschaft) an Okinawas Schulen um 1900 und später der Wettkampf-/ Turniergedanke dieser Entwicklung einen gewaltigen Schub verliehen. So sehen heute Kihon, Kata und Kumite oftmals sehr unterschiedlich voneinander aus. Wettkämpfer entscheiden sich oft nur für Katavorführungen oder nur für das Wettkampfkumite. Beides hat sich zu vollkommen verschiedenen Disziplinen entwickelt, ohne erkennbaren Bezug zueinander. Entsprechend isoliert wird das Karate dann auch unterrichtet, beispielsweise je nach Veranlagung des Trainers oder Ausrichtung des Vereins. Manchmal werden einzelne Säulen auch gänzlich vom Training ausgegrenzt.

Wir suchen, die Integrität der drei „Säulen“ zu halten. Die Kata dient als Ausgangspunkt für alles Weitere, sie enthält alles Wesentliche. Dazu gehören vielfältige Techniken, der Einsatz von Stellungen, das Positionieren des Körpers, Haltungen, Schutz in der Bewegung, Abnahme der gegnerischen Angriffsinitiative in einer Bewegung. Um die Kata dergestalt einsetzen zu können, ist ein tiefes Verständnis der Kata und ihrer strategischen Hintergründe notwendig. Manchmal sieht man auch, wie den Kata eine esoterische Seite verliehen wird. Jedoch hat bereits die technische Seite viel mehr zu bieten, als gemeinhin aus ihr gewonnen wird. Der Erforschung von Konstruktion und dem Potential der Kata, hat Oshiro Toshihiro sein Leben gewidmet. Mehr zu einigen der wesentlichen Prinzipien erfahrt ihr hier. So haben wir durch Kata, Kihon und Kumite zusammen mit  dem verwandten Kobujutsu ein stimmiges Fundament der Kampfkunst als Ausgangspunkt jedes Trainings.

Begleitend dazu bedienen wir uns…
– Spezieller Aufwärm-/ Dehn- und Partnerübungen. Herrkömmliche Gymnastik und auf Kampftechnik vorbereitende Gymnastik unterscheiden sich voneinander. Unsere Gymnastik ist auf die Anforderungen der Kampfkunst und der Entwicklung einer inneren Dynamik ausgerichtet. Sie hilft, Körperpartien auf bisher ungenutzte Weise anzusteuern und dann in die Technik einzubringen.
– Wandtraining. Der Körper wird eng an einer Wand entlang bewegt. Da die Wand nicht nachgibt, muss der Körper lernen, sich sehr flexibel und schmal zu bewegen, um nicht von der Wand weg gestoßen zu werden.
– Pratzentraining. Es sind Hilfsmittel wie Makiwara, Pratze oder Sandsack notwendig, um Technik und Körper auf die Abgabe der Energie an das Ziel vorzubereiten. Das Schlagen aus einem stationären Stand aber auch aus der Bewegung gegen ein Ziel, trainiert die richtigen Winkel der Schlagführung und den begleitenden Einsatz der Körpermasse. Dies ist nicht möglich, wenn die Techniken lediglich mit leichtem Kontakt am Partner oder in die Luft ausgeführt werden.
– Nicht zuletzt müssen die Techniken auch am lebenden „Objekt“ mit einer für den Partner zu verkraftenden Energieabgabe auf ihr Potential getestet werden. Ein menschlicher Körper verhält sich anders, als ein Sandsack oder eine Pratze. Insbesondere dann, wenn die Distanz zum Ziel gering ist oder der Winkel der Faust beim Eindringen verändert wird. Ein Sandsack schwingt hierbei kaum, da er nicht weg gedrückt wird. Jedoch ist die Wirkung des Eindringens derselben Technik in den menschlichen Körper sehr intensiv.


Kihon…

Kihon beschreibt das Einstudieren und wiederholte Ausführen einzelner Techniken oder kurzer Sequenzen, ohne die Anwesenheit eines Partners. Es wird auf die Körperarbeit und sinnvolle Ausführung der Technik geachtet. Kihon wird auch »Grundschule« des Karate genannt. Es kann statisch im Stehen oder dynamisch in der Bewegung ausgeführt werden. Kihon wird eingesetzt, weil es förderlich ist, sich in anbetracht der Komplexität der freien Bewegung und des freien Kampfes immer wieder auf isolierte Aspekte des späteren Gesamtspektrums zu konzentrieren.

Der Sinn hinter den vielen Wiederholungen derselben Technik ist nicht, stumpf 100 mal eine Technik zu wiederholen. Durch die Wiederholungen kann man sich abwechselnd auf die einzelnen Details der entsprechenden Bewegung konzentrieren. Man muss nicht auf alle Details auf einmal achten. Der Fokus kann z.B. nach jeder 10. Wiederholung variieren. Kihon findet entweder im natürlichen, frontalen Stand oder in der Bewegung statt. Das Training im frontalen Stand (Hachi-Dachi oder Shizentai) wird stationäres Training genannt und beschränkt sich zur Vereinfachung auf die Arbeit des Oberkörpers ohne die Beine gleichzeitig einsetzen zu müssen. Nur hier sollte der Oberkörper frontal sein. Sobald wir uns vor oder zurück bewegen, wollen wir dem Gegner unsere Körperfront nicht mehr präsentieren. So halten wir unseren empfindlichsten Vitalpunkte während der Bewegung möglichst verborgen. Dieses Prinzip wird „Hanmi“ genannt und bedeutet soviel, wie „nur den halben Körper zeigen“ und dadurch stets nur die halbe Angrifffläche zu bieten.

Die Linie der Kata gilt auch für den Körper. Schmal stehen, Vitalpunkte abdrehen und hinter der Waffe (zB dem Arm) verbergen (rechts). Sich nicht auf zwei Linien bewegen (links).

Eine schmale Front ist schwieriger zu treffen, leichter zu decken und verbirgt die empfindlichsten Vitalpunkte des Oberkörpers vor dem direkten Angriff. Kihontraining entwickelt das Gefühl hierfür. Die Grundschultechniken des Karate sollten, auch in der Bewegung, den trotz „Hanmi“ verbleibenden Bereich der Körperfront möglichst gut decken. ein entstehender Kampf soll direkt beendet werden, die Kata vermitteln die Strategie, um den Gegner möglichst gut geschützt zu durchkreuzen. Deshalb geht man in den Kata idR. vor und nicht zurück. Hierbei spielen die sogenannten „Ausholbewegungen“ eine wichtige Rolle. Diese sollten nur im Anfängerstadium ausschweifend sein (das Gefühl für das Öffnen und Schließen des Körpers aktivieren). Später bilden sehr klein ausgeführte Ausholbewegungen „versteckte“ Ableitungen des gegnerischen Angriffs, während der „Block“ bereits Teil des Angriffs ist. Die Aussage „im Karate gäbe es keinen ersten Angriff“ wurde missverständlicher Weise umgedeutet zu „Es müsse stets einen ersten Block geben“. Die Aussage muss im Zusammenhang mit Sen no Sen gesehen werden. Demnach liegt der Angriff bereits dann vor (siehe Funakoshi Gichins Beschreibung dazu), wo der „Angreifer“ sich den geistigen Ruck dazu gibt. Ein reiner Block brächte uns im Kampf in eine gefährliche Situation (siehe Prinzipien) und wir verließen uns in einer gefährlichen Situation auf pures Glück. Beim fortgeschrittenen Ausholen sollte der Ellbogen (im Gegensatz zum Unterarm) nicht zunächst entgegen der eigentlich benötigten Richtung bewegt werden. Vielmehr muss er stets den Zugang zum eigenen Körper schützen und darf keine Öffnung verursachen. Es ergäbe sich eine nutzlose und zeitraubende Umkehr der Technik auf dem Weg zum Zielpunkt. Ein vermeidenswerter 1-2 Rhythmus entsteht, die benötigte Zeit der Technik zum Ziel würde sich verdoppeln.

 

 

Kata…

bestehen aus einer Abfolge festgelegter Bewegungen. Die Ausführung einer Kata dauert 1-2 Minuten. In der Regel bewegt man sich in den Kata vorwärts oder in 90° bzw. 45° Winkeln. Ein direktes Zurückweichen wird vermieden, da es dem vorwärts drängenden Angreifer Vorteile verschaffen würde. Kata bilden somit ein Instrument der Bewegungsschule und enthalten motorische Grundlagen für vielfältigste Anwendungen der Techniken sowie die innere Dynamik des Kampfstils. In die alten Kata flossen Bewegungen ein, die nicht nur als isolierte Techniken dienen. Vielmehr mussten sie tauglich sein, neben flexiblen Anwendungen auch innere dynamische Prinzipien zu trainieren. So ist es möglich, durch Katatraining einen wesentlichen Beitrag zur freien Bewegung zu leisten. Kata lehren, sich unter Beachtung der Bedrohung der eigenen Schwachstellen, durch einen imaginären Gegner zu bewegen. Dies entwickelt den Sinn für das Seichusen und Enbusen (Angriffslinie, Ablauflinie, Selbstschutz) als Kernelement der Kata. Kata lehren auch die Beherrschung der Schwerpunktsverlagerung (Unbalance), indem man nach Ausführung einer Technik den Körper innerlich bereits auf die nächste Technik oder Richtung ausgerichtet hat. Dies ist die Nutzung der Natur (Schwerkraft) und wird auch „Rakuro no ki“ genannt..

Rechts werden die Vorteile des Beachtens der Enbusen Linie der Kata gezeigt. Die Technik verfehlt den Gegner nicht, man veliert ihn nicht in der Kata. Zudem teilen sich beide Beine, nahezu gleichzeitig eingesetzt, den Weg. Das halbiert die benötigte Zeit für die Bewegung. Links entsteht eine versetzte Enbusen Linie. Der Gegner wird verfehlt und ein Bein geht den ganzen Weg der Wendung (=doppelte Zeit).

Die alten Meister schrieben keine Bücher, nutzten jedoch die Kata, in die sie das Wissen um flexible Technikvielfalt und Motorik packten. Kata beinhalten das Wissen, wie man von einem Stand zum anderen gelangt und was auf dem Weg dahin passieren kann. Daher langt es nicht, eine Kata nur vom Ablauf vermittelt zu bekommen, ohne Kenntnis der Prinzipien zu erhalten. Die Anwendung der Prinzipien sorgt dafür, dass eine Kata nicht nur wie eine äussere Kraftdemonstration wirkt. Sie lassen die Kata von Innen nach Aussen aufleben. Wir benutzen dazu die alten Formen des Shorin Ryu Karate und einige weitere, sehr  traditionelle Kata. Ein großer Vorteil des Katatrainings ist, dass alle Techniken in einer Weise durchgezogen werden können, wie nicht an einem Übungspartner möglich wäre. Wesentlich ist dabei natürlich, dass man weiss, wofür die Techniken der Kata eingesetzt werden können. In die Kata integriert sind Stöße, Schläge, Tritte, Abwehrtechniken welche direkt zum Angriff werden, Hebel, Würfe, Finten usw.

Das mit der globalen Verbreitung des Karate entstehende Wettkampfkarate hat in seinen ersten Jahrzehnten eher auf das äussere Erscheinungsbild der Kata Wert gelegt, als auf ihre ursprüngliches Potential – »Form over Function«. Im Kampfsport müssen Techniken durch fremde Augen (Kampfrichter) bewertet werden können, in der Kampfkunst müssen die Techniken möglichst gut vor den Augen des Fremden verborgen bleiben. Im Kampfsport dürfen empfindliche Stellen und gefährliche Techiken nicht eingesetzt werden, in der Kampfkunst gibt es keine Regeln, die Vitalpunkte müssen auch in der Bewegung geschützt sein. Durch die gegensätzlichen Ansätze und Anforderungen entfernte sich das Sportkarate vom Kern des alten Karate. Viel Wissen ging dabei natürlich verloren. Der Gegner wurde aus der Kata entfernt, wie man am Umgang mit dem Seichusen und Enbusen der modernen Kata erkennen kann. Dafür konnten sich Kinder und junge Erwachsene an Wettkämpfen erfreuen und das Karate wurde weiter bekannt.  In Vergessenheit gerieten dabei nicht nur Bedeutungen der Techniken, sondern auch die ausgetüftelte innere Bewegungsdynamik. Es sind Bewegungsprinzipien und Übungsmethoden, die sich als vorteilhaft in realen Konfrontationen erweisen und einen enormen positiven Effekt auf die Gesunderhaltung und Kräftigung des Körpers haben. Dies gilt bis ins hohe Alter, wie man deutlich an Toshihiro Oshiro selber sehen kann. Mehr zum Thema Kata.

 


Kumite…

Mehr oder weniger reglementierte freie Bewegungen oder abgesprochene Kampfanwendungen machen das Kumite aus. Oftmals „freier Kampf“ genannt, obwohl er dennoch gewisse Einschränkungen und Regeln enthalten muss. Kumite kann von einfachen Techniken bis hin zu komplexeren Techniken oder Technikfolgen und einem Herantasten an die Situation eines “freien” Kampfes oder Angriffs gehen. Der Partner agiert dabei je nach Stadium des Abwehrenden mehr oder weniger “aggressiv”, widerspenstig bzw. druckvoll. Beim Kumite werden Schwächen in der Deckungsarbeit sichtbar.

In der einfachen Form werden vorher abgesprochene Techniken mehrfach wiederholt und am entsprechend agierenden Partner eingeübt (Gohon Kumite). Dabei kann die Geschwindigkeit und der ausgeübte psychische Druck dem Gegenüber angepasst werden. Viele denken, sie würden beim sogenannten 5 Schritt (vorwärts/rückwärts) Kumite das Blocken eines Angriffs üben. Einen Angriff einfach nur im Rückwärtsgang zu blocken, ist jedoch nicht die Strategie hinter dem Kara Te. Es würde nur Nachteile bringen, würde man so in einer Notfallsituation reagieren. Worum geht es also? Bei dieser Art des Kumite weiß der Verteidiger, dass ein Angriff kommt und er kennt auch die anzugreifende Region seines Körpers. Trainiert wird hier also nicht das Blocken, sondern das Angreifen. Und zwar soll der Angreifer mit der Technik durch kommen, obwohl der Verteidiger bestens vorbereitet ist. Hier nähert man sich dem Wesen des Kara Te. Kata alleine können Fertigkeiten nicht trainieren. Das Kumite stellt uns diesen Gegner nun tatsächlich vor, neben oder hinter uns. Vielleicht bewegt er sich auch frei um uns herum. Die Techniken müssen ihren Weg zu dessen Schwachstellen finden. Wir müssen seine Techniken dabei wirkungslos machen oder umgehen, ihn in die Leere stoßen lassen. Kumite beschreibt das Partnertraining, in dem die Techniken und Prinzipien angewandt werden.


Du kämpfst wie du trainierst…

Manche sagen, beim Training mache ich es so, im Notfall würde ich es anders tun. Dies wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Wir müssen bedenken, dass bestimmte Trainingsmethoden der Aneignung eines vorteilhaften Agierens in einer gefährlichen Situation (der Selbstverteidigung) entgegen stehen. Wir könnten unsere Lage sogar schnell verschlechtern. Alles hängt von unserer ersten Aktion ab, wenn wir schon agieren müssen und es in dem Moment keine andere Lösung gibt. Es gilt das Sprichwort „Im Notfall reagierst du so, wie du es dir antrainiert hast“. Was man sich durch häufiges Wiederholen antrainiert, wird man in einer Notsituation reflexartig abrufen, sofern man nicht in eine Schockstarre gerät.

Die erste Aktion entscheidet über den weiteren Verlauf und man sollte sich durch sie nicht in eine schwierigere Lage bringen, als man ohnehin schon ist. Es ist im Kampf nur schwer möglich aus einer rückwärtigen Bewegung gegen den vorwärts gehenden Angreifer wieder die Offensive zu gewinnen. Für das im Notfall angewandte Karate gibt bereits der ansonsten überaus friedfertig eingestellte Gichin Funakoshi klare Anweisungen. Eben dass ein Kampf direkt zu beenden ist, sofern alle Mittel diesen zu vermeiden, ausgeschöpft sind.

Da wir dem Angreifer nicht verraten wollen, dass wir uns wehren werden, dürfen wir keine boxerartige Deckung einnehmen. Nicht umsonst kommt diese Haltung nicht in den Kata vor. Wir würden den wichtigen Überraschungsmoment verlieren und der Gegner wird sich besser vorbereiten. Karate lehrt uns, mit der Gegenwehr „aus der Hüfte schießend“ beginnen zu können. Es ist eine der wichtigsten Erklärungen für das Starten der Faust von der Hüftregion aus. Das Zurückziehen der anderen Faust zur Hüfte (Hiki-Te) kann u.a. benutzt, wenn sich am Gürtel eine Waffe (z.B. Sai) befindet, um diese dann mit der nächsten Technik einzusetzen.

Lernten wir wettkampfbeeinflusst nur 2-3 Körperregionen (Kopf, Bauchmuskulatur) anzugreifen, dann nutzten wir 95% der Möglichkeiten überhaupt nicht aus, die uns die Kata anbieten. Zudem ist die im Wettkampf oft anvisierte Bauchmuskulatur keine Schwachstelle. Sie ist eher als Testbereich für die Durchschlagskraft unserer Techniken zu nutzen.

In den „alten“ Kata zu finden. Aus G. Nakasone „Karate Do Taikan“ 1936 (Bild ist altersbedingt ohne Copyright).

Auch eine Sichtweise von „eine Aktion, eine Technik“ ist nicht förderlich. Katatechniken benutzen nicht nur jeweils einen Arm oder ein Bein als Angriff. Sie benutzen Arme, Beine, Füße, Knie, Ellbogen, Kopf, Schulter kombiniert. Mehrere Bereiche des Körpers gehören gleichzeitig zur Wirksamkeit einer Katabewegung. Der Gegner wird gleichzeitig an mehreren Stellen angegriffen und manipuliert. Bunkai, also die Anwendung der Katatechniken wurde lange Zeit völlig missverstanden, da man einen aus dem Wettkampfsport gefilterten Blick darüber stülpte.

Das Bild rechts stellt eine Technik aus der Passai Kata dar und zeigt ein gutes Bunkai/ Anwendungs Beispiel. Der Schwerpunkt, die Stabilität und damit die eigene Masse ist hinter der Technik. Alles ist stabil in Richtung des Gegners ausgerichtet, der Oberkörper entsprechend nicht ganz aufrecht. Ein aufrechter Oberkörper würde bei dem Gegendruck schnell in eine unglückliche Rücklage geraten können. Es ist eine Fehlannahme, dass ein gerade aufgerichteter Oberkörper stabiler wäre. Dies gilt nur, solange keine Gegendruck (Gegner) da ist. Der Schwerpunkt sollte in die Technik gehen. Die Technik würde ansonsten schwächer ausfallen, man wäre nicht bereit, direkt in einen Hebel oder Wurf fort zu führen. In die Stellung des Gegners gehend, werden Block/ Kontrolle und Angriff (Hand ins Gesicht oder Ellbogenangriff) gleichzeitig ausgeführt. Dabei greift das rechte Knie die gegnerische Stellung an, möglicherweise tritt man ihm dabei auf den Fuß. Anschließend sind Kniehebeltechniken möglich, während oben die Arme weiter arbeiten können zur direkten Fortführung als Hebel oder Wurf.

Eine Trainingsmethode des reinen Blockens ist verbreitet. Hierbei wird blockend mit jeweils einem Schritt zurück gegangen, während der Angreifer Schritt für Schritt seinen Angriff vorträgt. Macht man diese Methode zum Hauptbestandteil des Kihon oder Kumite Trainings, dann trainiert man sich eine sehr nachteilige Verhaltensweise an. Diese Methode widerspricht nicht nur dem Kampf, sondern auch den Kata, die ja mit blockenden Techniken (welche eigentlich Angriffscharakter inne haben) vorwärts gehen. Durch das blockende Zurückweichen, konzentriert man sich zunächst nur auf den Block und begibt sich in eine Position, welche dem Gegner nicht wirklich die Angriffsinitiative abnimmt. Im besten Fall gelangt man in eine Pattsituation – beide können den nächsten Angriff führen. Man hat somit nicht viel an der Ausgangssituation geändert – Ausser: Durch den Schritt zurück ist man dem vorwärts drängenden Gegner gegenüber im Nachteil. Der Angreifer wird nicht auf einen Konter warten, sondern seinen Vorwärtsdrang ausnutzend, direkt weiter angreifen. Da die Vorwärtsbewegung einfacher ist als die Rückwärtsbewegung, ist der Angreifer nun im Vorteil.