Jeder Mensch trägt die Fähigkeit in sich, sich zu wehren. (okinawanisches Sprichwort)

Oki Nawa

Okinawa. „Oki“ hat die Bedeutung „Meer“ und „Nawa“ kann mit „Schnur“ über­setzt werden. Eine Schnur ist lang und schmal. Genau so ist auch die Insel­­gruppe um die Hauptinsel Okinawa geformt, die wie eine Perlenkette zwischen Japan und China im Pazifik aufgereiht ist. Früher wurde die Inselgruppe Ryu Kyu oder auch Loo Choo genannt. Die Breite Okinawas beträgt zwischen 5 und 25 km während die Länge etwa 100 km entspricht. Die Inseln reichen von Kyushu bis nach Taiwan und trennen an dieser Stelle den Pazifik vom Ostchinesischen Meer. Die Blüte des indischen Korallenbaums wurde zum Symbol für die Präfektur Okinawa.

 

(Kara-) Te wird selbst in Volkstänzen sichtbar bzw. Elemente der Tänze wurden ins sich entwickelnde Karate integriert.

Wahrscheinlich bereits ab dem 7. Jhdt entwickelte sich mit der Te (okinawisch »De«) genannten Kampfkunst eine native Form des Zweikampfes. Das Te zeichnet sich im Gegensatz zum To-de durch weitläufige, kreisende Bewegungen aus, während das To-de die direktere Linie sucht. Besonders die Motobu Familie hat nach eigenen Angaben über den 1926 verstorbenen Motobu Choyu die Kunst des Te bewahrt. Nach Choyuns Tod hat Uehara Seikichi den Stil fortgeführt und etwa 1945 „Motobu-Ryu“ benannt. Es gibt allerdings Zweifel daran, ob tatsächlich das alte „Te“ bewahrt wurde oder nicht doch weitreichende Veränderungen eingeführt wurden.

Man sieht Bewegungsprinzipien des Karate und des Te in verschiedenen okinawischen Tänzen. Die tiefe Verwurzelung der Kampfkunst in die okinawischen Kultur wird erkennbar. Prinzipien der kämpferischen Bewegungsart derart in die Gesellschaft zu integrieren, so dass sich jeder automatisch damit beschäftigt, ist eine sehr originelle Idee. Auch Kinder und Frauen sind automatisch involviert. Wer sich später für den Weg der Kampfkunst entschied, war bereits in gewisser Weise vorbereitet. Die Tänze trainieren u.a. das Setzen der Füße, das Halten des Körpers, Prinzipien des Chinkuchi und Gamaku. Wer die Tänze genau beobachtet, kann Mechanismen, die hinter dem („alten“) Karate stehen, vielleicht besser verstehen. Viele Tänze erzählen Geschichten. Ebenso erzählen die Kata des Karate vielleicht Geschichten über bestimmte Meister und deren favorisierte Techniken in Form von praktisch zu studierenden Büchern. Die gebräuchlichsten Waffen der Krieger Ryu Kyus zur Zeit der ersten Sho-Dynastie (1409-1469) waren das Schwert und der Speer. Bis zu dieser Zeit waren die RyuKyu Inseln untereinander oft in Kleinkriege verwickelt. Der bewaffnete Kampf war natürlich besonders ausgefeilt und anhand der Er­fah­run­gen auf Kampfschauplätzen verfeinert. Der unbewaffnete Kampf ist immer das letzte Mittel, um sich gegen einen unbekannten Aggressor zur Wehr zu setzen. Die Motorik des Karate erlaubt den Einsatz verschiedener Gegenstände als Waffe, um die eigenen Chancen zu erhöhen.

Über 3 Königreiche zum Königreich  Ryu Kyu und schließlich zur Präfektur Japans.

Nachbildung der Königskrone

Okinawa entwickelte sich bis ungefähr ins 14. Jhrt hinein unbeeinflusst von japanischer oder chinesischer Kultur. Über die Jahrhunderte bildeten sich aus den verstreut wachsenden Siedlungen drei Machtzentren auf der Hauptinsel aus. So waren die Ryu Kyu Inseln um 1400 in die drei Herrschaftsreiche Hokuzan, Chuzan und Nanzan zersplittet. Alle drei Reiche betrieben zu der Zeit bereits Handel nach Übersee. Etwa 1440 begann Ryu Kyu erste Handelsbeziehungen zu Japan zu pflegen, welche historischen Schriften folgend mit einem Geschenk Ryu Kyus an Japan in Form von Goldmünzen begann. Zu dieser Zeit waren in Japan hauptsächlich Kupfermünzen üblich und Goldstaub mußte aus China bezogen werden. Daher war dieses Geschenk herzlich willkommen. Zur japanischen Provinz Satsuma pflegte Ryu Kyu in der Folgezeit besondere Beziehungen. China betrieb als Reich der Mitte einen regen Tributhandel und entwickelte verstärktes Interesse an Okinawa als Handelsdrehscheibe. Mit dem hoch entwickelten China Handel treiben zu dürfen, vereinfachte und bereicherte das Leben. So war es wohl auch dieser Kampf um die Vormachtstellung in Handelsangelegenheiten, welcher zwischen den drei Machtzentren immer wieder zu Auseinandersetzungen führte. Der chinesiche Kaiser der Ming Dynastie war an einer friedlebenden Handelsplattform im Pazifik interessiert und unterstützte Ryu Kyu dabei, ein geeintes Königreich zu werden. König Sho Hashi kam 1422 auf den Thron. Er vereinigte die drei Reiche und legte den Grundstein für das Königgreich Ryu Kyu. Es wird berichtet, dass der chinesische Kaiser 30 Schiffe zur Unterstützung dieses Vorhabens schickte. Mit an Bord waren auch das erste königliche Ornat im kaiserlichen Gelbton, ein Staatssiegel und die Krone für Sho Hashi. Somit war es letztlich der Kaiser, welcher Ryu Kyu zum Königreich erhob. König Sho Hashi ließ das Schloss Shuri (Shurijo) im chinesischen Stil erbauen. Um 1429 legte er das Kapitol und die Verwaltung in das Schloß und war damit den größten Handelshäfen in Tomari und Naha sehr nah. Ryu Kyu gelang es so, als Interimshändler sehr wertvoll für viele asiatischen Länder zu werden, die dadurch Handel mit China betreiben konnten. Noch heute ist eine große Glocke erhalten, welche die Rolle Ryu Kyus als Brücke zwischen den Ländern und dessen engste Verbindung mit den Ming/ China, Korea und Japan bestärkt. Dazu befindet sich eine entsprechende Inschrift auf der 1458 gefertigten Glocke. Zur Zeit der Meji Restauration um 1868 änderte sich der Status des Königreichs Ryu Kyu und 1879 wurde es schließlich als eigene Präfektur Okinawa durch Japan übernommen. Taiwan wurde dagegen durch Japan als Kolonie behandelt.

Schloss Shuri. In das Hauptgebäude Saiden des Shurijo gingen lediglich der König oder chinesische Oberhäupter direkt hinein. Aufgrund der doppelten Abhängigkeit aber auch des daraus gezogenen Nutzens für Ryu Kyu, wurden zwei Nebengebäude gebaut. Der Nanden Nordpalast galt der Unterkunft und der Unterhaltung der obersten Reihen der Japaner des Satsuma Clans. Für diesen Palast wurde aus Japan eingeführtes Holz benutzt. Der Südpalast wurde Hokuden genannt und früher gebaut. Er stand den Obersten der chinesischen Gesandschaften (Sapposhi) zur Verfügung und wurde aus chinesischem Holz gebaut. Wenn man bedenkt, dass die Segelschiffe mit dem Monsun kamen und gingen, ist es klar, dass sich die Gesandschaften nicht langweilen. Der Monsun wechselt schließlich nur alle 6 Monate seine Richtung. So brauchte Ryu Kyu einen sehr umfangreichen administrativen Apparat und es gab sehr viele Ränge und Mitarbeiter in diesem Bereich. Tanz und Theater wurden entsprechend der Vorlieben der jeweiligen Besucher entwickelt und vorgeführt. Die Gärten wurden möglichst sio eingerichtet, dass man das Meer nicht auf beiden Seiten gleichzeitig sehen konnte. Aufgrund der schmalen Geografie der Insel, ist dies an vielen erhobenen Stellen der Fall und könnte den Langzeitbesuchern ein beengtes Gefühl vermitteln.

Mittig Seiden, links Hokuden, rechts Nanden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Chinesische (Kampf)kunst gelangt nach Okinawa.

Das Monument zu Ehren der 36 chinesischen Familien mit deren Namen im Ort Kume.

Um 1400 siedelten chinesische Familien nach Okinawa um. Sie werden die »36 Familien« genannt. Ihnen zu Ehren ist auch heute noch ein schiffsförmiges Monument aus Stein auf Okinawa zu finden. Dieses Monument trägt die 36 Wappen dieser Familien und steht im ehemaligen Ortsteil Kumemura nahe eines ebenfalls extra angelegten chinesischen Gartens. Hier wurde ein Teil des Zentrums Okinawas für die chinesische Kultur bereitgestellt und der Austausch zwischen Chinesen und Einheimischen optimiert. Die Chinesen sollten ihre Kultur und damit einhergehend auch chinesische Kampfkunst mit nach Okinawa bringen. Regelmäßig fanden in Kumemura wissenschaftlich und künstlerisch angelegte Übungen und Vorführungen statt. Es gab dazu sogar Programmhefte von denen eines aus dem Jahre 1867 noch erhalten ist. In ihm findet sich die vielleicht erste schriftliche Bezeichnung, welche mit „To De“ bzw. „Karate“ zu lesen ist. Auch Kata waren im Programm enthalten und sind beispielsweise mit „108 Schritten“ bezeichnet.

Es gibt einen Bericht, nach dem während des „Kiyari“ Festes am Schloss Shuri Kampfkünstler aus Kumemura die Kata Kushanku und Passai vorführten. Dieses Fest geht auf die Renovierung eines Palastes des Schlosses zurück, welcher aufgrund der verwendeten Holzart regelmäßig erneuert werden musste. Es dürfte sich um den Nordpalast „Hokuden“ gehandelt haben, der zu Ehren der chinesischen Gesandschaften errichtet worden war. Verwendet wurde chinesisches Holz, welches mit dem okinawanischen Klima zu kämpfen hatte. Wer versucht, das alte Karate in Stile und Meister-Schüler Linien fest zu legen, dessen Arbeit wird durch derartige Berichte erschwert. Kumemura gilt als Inbegriff für die chinesisch geprägte Richtung Shorei Ryu des Karate. Warum führen Kampfkünstler aus Kumemura dann Kata des Shorin Ryu vor? Warum passen schon alleine die Altersangaben von oft publizierten Meister-Schüler Linien so oft nicht zusammen? Oftmals ist ein Meister bereits im hohen Alter und sein Schüler (als Fortführer der Linie) bei dessen Tod wenn überhaupt im Jugendlichenalter war.

 

 

Das Bubishi.

Wahrscheinlich über diese Chinesen gelangte ein bedeutendes Buch über die chinesische Kampfkunst und die Medizin (das Bubishi) nach Okinawa und auch in die Hände der dortigen Meister. Die 32 Kapitel des Bubishi behandeln nicht nur Kampftechniken, sondern auch den menschlichen Körper, dessen Vitalpunkte sowie medizinische Aspekte der Heilung.

Anderen Berichten nach, kam das Bubishi jedoch über Higaonna Kanryo nach Okinawa, nachdem dieser es während seines Aufenthalts in China um 1865 bei

Gedenkstein zu Ehren der Sensei Miyagi und Higaonna in Kume.

seinem Lehrer abschreiben durfte. Im Park von Kume befindet sich ein Ehrenstein, welcher chinesische Schriftzeichen und Figuren zeigt. Die Figuren stammen aus dem Bubishi. Es ist ein Gedenkstein zu Ehren der beiden Sensei Miyagi und Higaonna. Auf sie geht das stark chinesisch geprägte Goju Ryu Karate der Shorei Ryu Linie zurück. Links in klein gehalten ist die Signatur des Steinmetzes. Die chinesischen großen Kanji besagen, dass dieser Stein hoch gestellten (Schicht) Menschen von absolut exzellenter Fertigkeit gewidmet ist. Eine Ehrung, welche man sich auf dem eigenen Grabstein nur wünschen konnte. Es gibt Berichte zweier weiterer Schriften, die offenbar nicht zum Bubishi gehören. Diese sollen auf den indischen Mönch Dharuma (Bodhidharma) zurück gehen, der sie dem Shaolin Tempel hinterließ. Dharuma gelangte um das Jahr 500 nach China zum Shaolin Tempel und lehrte dort den Buddhismus. Er lehrte die Mönche eine Form der kampfkunstbasierten Methodik, um sie körperlich und mental stark zu machen, damit sie die langen Meditationen durchhalten, gesund bleiben und wahrscheinlich auch den Tempel im Notfall verteidigen können. Diese Schriften heißen „Ekkinkyo“ und „Senzukyo“ und beziehen sich auf äußerliche Aspekte der Kampfkunst, Abhärtung und Stärkung, sowie auf tief ins Innere (Knochen, Gelenke und Sehnen optimierende) des Körpers wirkende Übungen.

Chinesischer Garten in Kume nahe dem Monument

Man kann davon ausgehen, dass sie die Basis des Shaolin Kung-Fu und des Qi-Gong darstellen. Texte aus diesen Büchern existieren auch heute noch und verschiedene okinawanische Meister um 1900 verwendeten Auszüge in ihren Schriften. Die Namen der Kata zeigen den Einfluß chinesischer Kampfkünstler auf das Karate auf. Es sind Namen wie Chinto (moderner Name Gangaku), Kushanku (Kanku), Wanshu (Enpi). Die chinesischen Kampfkünste hatten den waffenlosen Kampf bereits sehr weit entwickelt. Das chinesische Schriftzeichen für »Wu« (von Wu Shu, japanisch »Bu«) bedeutet soviel wie »stoppe Waffen (Lanzen)« in einer weiteren Bedeutung, einen Kampf direkt zu beenden oder aber abwenden zu können. Viele chinesische Lehrer bekräftigen mit dieser Erklärung auch einen »pazifistischen« Charakter ihrer Kampfkunst. So ist es demnach das Grundziel einer Kampfkunst, den physischen Kampf zu vermeiden oder bereits im Keim zu ersticken.

Der Oberbegriff für chinesische Kampf­künste  »Wu Shu« ist relativ modern und wird in China oftmals lediglich mit Bezug auf die modernen und aus den klassischen Kampfstilen abgeleiteten Kampf­sport­arten gebraucht. In nicht so sehr staatlich beeinflussten Gefilden wie Taiwan wird eher von Gong Fu oder Quan Fa gesprochen. Gong Fu bedeutet »Zeit, Energie« und »Arbeit« und beschreibt den Umstand, dass viel Zeit und Mühe investiert werden muß, um ein körperliches und geistiges Verständnis für die Techniken, Prinzipien und der Motorik der Kampfkünste zu erlangen. Quan Fa kann man als die »Methode der Faust« oder einfach Fausttechnik übersetzen. Während sich Gong Fu nicht allein auf das Meistern der Techniken der Kampfkünste bezieht, so ist der Begriff Quan Fa nur für diese reserviert. Nach Japan importierte Quan Fa Stile finden sich dort unter dem Sammelbegriff »Kempo« wieder.

 

 

Mythos Waffenverbote und Karate.

Zur Zeit der Sho-Dynastie geschahen die beiden Ereignisse, die später irrtümlich zu den beiden strikten Waffenverboten aufgebauscht wurden, aus denen letztlich das Karate hervorgegangen sein soll. Die zweite Sho-Dynastie dauerte von 1470-1879. Vieles wurde geschrieben, über die Eroberung Ryu Kyus durch Samurai, manchmal auch über eine vermeintliche Zurückschlagung des Angriffs der Samurai durch wehrhafte Bauern, über brutale Jahrhunderte und über strikte Waffenverbote. Geschichten in Karatebüchern, dass ein Dorf während der Samuraiherrschaft lediglich ein bewachtes oder angekettetes Messer benutzen durfte, sind Legenden. Waffenverbote werden dann auch für die Entwicklung des Karate verantwortlich gemacht. Daraus entstand die Geschichte des waffenlosen Volkes, welches sich gegen bewaffnete Samurai wehren konnte. Manchmal wird geschrieben, dass in Karate und Kobudo versierte Bauernarmeen halfen, dem Angriff der Samurai zu trotzen. Menschen mögen mythische Geschichten und erzählen sie gerne weiter. Auch bekannte okinawanische Meister schrieben in ihren Büchern über die angebliche Schreckensherrschaft und westliche Buchautoren übernahmen diese Schilderungen. Tatsächlich gibt es einen Bericht, wonach ein im Karate und Kobudo versierter Meister, einen Samurai davon abbrachte, sich einer Frau gegen ihren Willen anzunähern. Derartige Ereignisse wurden in den Erzählungen gern ausgeschmückt, ergänzt und endeten vielleicht in der Bauernarmee, die die Samurai vertrieb.

Als Basil Hall (geb. 1788)  im 19. Jhdt Ryu Kyu mit seinem Schiff besuchte, schafften es die Ryu Kyuaner ihn und seine Mannschafft glauben zu lassen, sie würden derart friedlich mit anderen Nationen zusammen existieren, so dass sie sogar ohne Waffen auskommen. Seine ausführlichen Reiseberichte Berichte sind im Internet zu finden. 1817 verfasste er „A Voyage of Discovery to the Western Coast of Corea and the Great Loo-Choo Island in the Japan Sea“. Loo Choo ist eine andere Bezeichnung für Ryu Kyu. Sei Erlebnis mit der Nation, die ohne Waffen auskommt, erzählte Basil Hall später dem im Exil lebenden Napoleon. Napoleon soll mit extremer ungläubiger Faszination reagiert haben. Wie kam es zu Basil Halls vermeintlichen Eindruck? Ryu Kyu verstand sich als Freund aller asiatischer Länder und deren Handelsdrehkreuz. Diese asiatischen Länder erlebten untereinander zerstrittene, kriegerische Zeiten. Daher musste Okinawa als „Freund aller Länder und den Handel aufrecht erhaltende Basis“ Profi werden im Herstellen eines absolut friedlichen und sicheren Ortes. Schließlich weilten die Handelsgesandtschaften verschiedener Länder oft lange Zeit gleichzeitig auf der eher schmalen und möglicherweie einengend wirkenden Insel. Dennoch sollten alle den Eindruck haben, an einem sicheren und friedfertigen Ort zu sein. Gärten wurden z.B. so angelegt, dass man nicht nach Osten und Westen schauend, Wasser sehen konnte. Ansonsten würde sich der einengende Eindruck vergrößern.

König Sho Shin

Okinawa wächst zusammen – Der König verhängt das erste, sogenannte  „Waffenverbot“ zur Sho-Shin Zeit (1477-1526). Es handelte sich dabei um eine Maßnahme des ersten Königs Sho Shins. Diese Maßnahme galt der Beseitigung des historisch bedingten „Drangs der verschiedenen Stämme, gegeneinander zu kämpfen“ und der Festigung eines friedvollen Lebens der 3 Königreiche Chuzan, Nanzan und Hokuzan miteinander. Es handelte sich bei König Sho Shins Erlass um eine logische Maßnahme und umfasste die Umsiedelung der Kriegerklasse in das Gebiet des Königssitzes (Schloss Shuri). Ziel war eine bessere Kontrolle der bis dahin geschichtlich bedingt über die ganze Insel verstreut lebenden Krieger und Kriegswaffen. Das Schloß Shuri befindet sich nahe der Hafenstadt Naha. Diese wurde immer wieder durch Piraten (Waka) angegriffen und war ein strategisch wichtiger Ort, der die Präsens einer Armee zur Verteidigung erforderte. Die offizielle Armee und die Sicherheitsorgane des Königs konnten sich natürlich frei im Waffentraining üben und besaßenWaffen. Der Historiker Iha Fuyu (1876-1947) stellte teilweise falsche Übersetzungen über Errungenschaften an, welche König Sho Shin auf eine Steintafel schreiben ließ. Übersetzungen wie „Okinawaner machten aus ihren Waffen nützliche Werkzeuge“, förderten das Gerücht über die Abschaffung der Waffen auf Okinawa. Der Historiker Nakahara Zenchu entdeckte und korrigierte später diesen Irrtum. Da war die Gerüchteküche jedoch bereits am brodeln. Das Vorhandensein einer bewaffneten Armee ist alleine dadurch bereits bewiesen, dass Ryu Kyu sich den 1609 einfallenenden Shimazu Samurai entgegen stellte und die Kämpfe über einen Monat andauerten. Auf das Gerücht der sich den Samurai unbewaffnet entgegen stellenden, bäuerlichen Karateka, müssen wir vermutlich nicht mehr eingehen. Auch war es auf Ryu Kyu Brauch, ein Familienschwert zu besitzen. Diese Familienschwerter wurden den Okinawanern erst von den amerikanischen Besatzern nach dem zweiten Weltkrieg entwendet. Es gibt Vermutungen, dass die Amerikaner diejenigen waren, die nach ihrem Sieg im zweiten Weltkrieg durch ihre Sammelsucht nach japanischen Schwertern, den Okinawanern sämtliche Schwerter „entrissen“ haben. Dieser Umstand hat sich dann fälschlicher Weise auf die Samurai aus Satsuma übertragen. Demnach könnten es auch die brutalen Erlebnisse des zweiten Weltkrieges gewesen sein, die fortan das kollektive Denken der Okinawer dahingehen beeinflusst haben, dass sie sich wünschten, friedfertig und ohne Waffen auszukommen bzw. in der Vergangenheit ausgekommen zu sein.

Ryu Kyu wird von Japan angegriffen – Die japanischen Samurai verhängen das zweite, sogenannte „Waffenverbot“. Ein zweites Mal wurde angeblich nach der erfolgreichen Invasion der aus Satsuma (naha Kagoshima) stammenden Shimazu-Samurai (1609) ein strikteres Waffenverbot verhangen und dessen Einhaltung strengstens überwacht. Zudem soll eine lange Zeit der brutalen Herrschaft über die Bevölkerung Ryu Kyus hereingebrochen sein. Diese Schreckensherrschaft soll die Bevölkerung veranlasst haben, sich insgeheim zu organisieren und die unbewaffnete Kampfkunst Karate zu entwickeln sowie landwirtschaftliche Gegenstände in Waffen zu verwandeln. Dörfer sollen nur noch ein einziges, gesichteres oder bewachtes Messer zur Verfügung gehabt haben.

Der Konflikt Ryu Kyus mit Japan und speziell den Samurai aus Satsuma ereignete sich zur Zeit des Königs Sho Nei, welcher von 1589 bis 1621 regierte. Zu Anfang des 17. Jhdt verschärften sich allerdings die Beziehungen zwischen Japan und China und bewaffnete Konflikte kündigten sich an. Ein Minister (Jana) des herrschenden Königs Ryu Kyus, wollte unbedingt die seit Jahrhunderten bestehenden, guten Beziehungen zu China aufrecht erhalten. Ryu Kyu sollte Japan nicht im Kampf gegen China unterstützen. Jana brachte den König offenbar sogar dazu, den Kontakt zu Japan abzubrechen. Der Fürst der Samurai aus Satsuma (Shimadzu Iyehisa) schickte daraufhin verwundert einen Gesandten nach Ryu Kyu, um in Erfahrung zu bringen, was vor sich geht. Minister Jana wiederrum war es, der die Gesandschaft aus Satsuma, ohne eine Erklärung abzugeben, mit deutlicher Respektlosigkeit zurückwies. Daraufhin machte der japanische Shogun den Samurai aus Satsuma alle Wege frei, sich die Herrschaft über Ryu Kyu Inseln zu erobern. Der Einmarsch der Samurai geschah im Jahr 1609. Nach siegreicher Beendigung der Kämpfe verhafteten die Satsuma Samurai den König sowie Minister Jana und eine weitere Person und brachten sie für eine kurze Zeit nach Satsuma. Dort wurde vertraglich geregelt, dass Ryu Kyu von nun an unter die Herrschaft der Satsuma fällt und keine gänzlich eigenen Wege mehr gehen kann. Minister Jana war der einzige, der es wagte, diesen unangenehmen Vertrag nicht zu unterschreiben. Daraufhin wurde er schließlich enthauptet.
Die Kontrolle der Satsuma Samurai über Ryu Kyu, brachte das Königreich selbstverständlich in eine vertrackte Situation. China und Japan waren sich bereits zu dieser Zeit nicht friedliche gesonnen (z.B. Korea Feldzug Japans 1592). Dennoch hielt China sich aus der Angelegenheit raus. Ryu Kyu durfte seinen relativ unabhängigen Status eines Königreiches trotz der Niederlage gegen die Satsuma beibehalten. Die Samurai versprachen ihrerseits nun Sicherheit für Ryu Kyu und nutzten die Vorteile der Handelsplattform. Ryu Kyu konnte den Tributhandel mit China weiter führen und zusätzlich führte man nun zwangsweise auch Tribut nach Satsuma ab. Ein Interesse an einer Unterdrückung Ryu Kyus, bestand seitens der Satsuma also nicht. Sicherlich hat der Einmarsch der Satsuma das goldene Handelszeitalter Ryu Kyus getrübt. Man musste fortan einen Balanceakt vollziehen und sowohl die Beziehungen zu China, wie auch zu Japan in einem guten Verhältnis halten.

Die Samurai. Nicht nur chinesische Kampfkunst gelangte nach RyuKyu. Auch japanische Kampfkünste erreichten die Inseln. Der Schwertstil der Shimazu Samurai nennt sich „Jigen-Ryu“. Besonderes Merkmal des Stils ist das Augenmerk auf die Beendigung des Kampfes mit einem Hieb. Die Samurai entwickelten einen sehr speziellen Schwerthieb, den sie „Flammenwolke“ nannten. Dieser Hieb war Grundlage des Trainings und wurde auf Wucht und Schnelligkeit perfektioniert, so dass es kaum mehr möglich war, ihn abzuwehren. Gegnerischen Samurai soll beim Versuch, den Schwerthieb der Satsuma zu blocken, das eigene Schwert tief in die Haut gedrückt worden sein. Selbst ein Versuch auszuweichen war schwierig, denn das Schwert des Samurai schoss wie ein Blitz aus dem Himmel nach unten aus der ge­ho­benen Haltung mit der Schwertspitze in Richtung Himmel.
Das Shorin-Ryu Karate sowie das Yamanni Ryu Kobudo zieht die Unmöglichkeit des Blockens eines sehr gut trainierten und bewaffneten Gegners in Betracht und legt daher sehr viel Wert auf eine schmale Körperhaltung, so wie auch auf eine dynamische Beweglichkeit aus der heraus Angriffe erfolgen. Weil ein Abhärten des Körpers gegen Waffen (insbesondere natürlich Schnittwaffen) nicht möglich ist, liegt ein großer Trainingsschwerpunkt auf der Beweglichkeit und des Umgehens von Angriffen während man selbst angreift. Ein reines Blocken wird vermieden, da dieses selbst im Erfolgsfall keinen direkten Vorteil bringt. Ein aggressiver Gegner stoppt seinen Angriff nicht aufgrund eines erfolgreichen Blocks und es wird umso schwieriger, ihm die Angriffinitiative abzunehmen, je länger die Auseinandersetzung dauert.

Allen Gerüchten über Waffenverbote zum Trotz, hatten okinawanische Meister wie Sokon »Bushi« Matsumura im 19. Jh. die Erlaubnis, den beschriebenen Schwertkampfstil in Satsuma zu lernen. Auch Funakoshi Gichins Lehrer, Anko Asato übte sich im Umgang mit dem Samuraischwert. Dies sind Tatsachen, die an einer Schreckensherrschaft der  Shimazu-Samurai aus dem japanischen Satsuma zweifeln lassen. Das Prinzip des »Tötens mit einem Schlag — Ikken Hisatsu« pflanzte sich in das okinawisches Karate fort, indem effektive Techniken entwickelt werden sollen und ein Kampf möglichst schnell beendet werden soll. Sokon Matsumura zeigt sich für die Entwicklung des Shuri-Te Stils verantwortlich, welcher Grundlage für das Shorin-Ryu und sehr viele moderne Karatestile ist.

Es ist eine Ausgabe des Phoenix-Magazins von 1873 durch das Karatemuseum auf Hawaii veröffentlicht worden. Darin befindet sich ein detailiierter Bericht des Herausgebers des Magazins (James Summers), einem londoner Professor für chinesische Sprache über die Geschichte Okinawas, insbesondere über die Zeit um den Konflikt mit Japan im Jahre 1609. Dieser Artikel ist einerseits eine neutrale Quelle, andererseits vor der Massenverbreitung des Karate und Entstehung damit verbundener Mythen verfasst. Es findet sich kein Wort über Waffenverbote oder eine Schreckensherrschaft durch die Samurai. Der Artikel gibt einen Bericht von dem Japaner Tomioka Shiuko um 1850 wieder. Die Okinawaner werden als sehr gute Bogenschützen zu Pferde und als gute Scharfschützen mit dem Luntenschussgewehr (Muskete) beschrieben. Dies ist ein deutlicher Hinweis, dass kein Waffenverbot bestand. Außerdem heißt es, die Okinawaner haben besondere Fähigkeiten im „Boxen“, so dass ein gut trainierter Kämpfer Wasserkrüge zerschlagen oder einen Menschen mit einem einzigen Schlag töten könne. Also ist auch von einer absoluten Geheimhaltung der Kampfkunst keine Spur zu finden. Die Zeit der umstrittenen „Bevormundung“ Okinawas durch die Samurai endete 1875 und Okinawa wurde als offizieller Teil Japans zwangsadoptiert. Ab hier endet die königliche Herrschaft über die RyuKyu Inseln und Okinawa wurde zu „Okinawa“.

 

Shorin- und Shorei-Ryu…

werden die beiden Karatelinien genannt, welche aus der einheimischen Kampfkunst „Te, Ti oder Di“ (Hand) plus japanischen (Schwert) und chinesischen Einfluss entwickelt wurden. Die Meister kombinierten also ihr Wissen mit den sogenannten harten und weichen (äusseren und inneren), chinesischen Kampfstilen und den Künsten japanischer Samurai. Aus diesen beiden Linien entstanden dann die „10000“ verschiedenen Stile, die wir heute kennen. Die Herkunft der Begriffe Shorin und Shorei könnte sich auf Tempel im allgemeinen und dem Wissen um Heilkunde der Mönche gründen und irrtümlich auf Kampfsysteme bezogen worden sein. Dennoch ist diese Unterteilung durch Itosu Anko und Funakoshi Gichin salonfähig gemacht worden. China ist der Geburtsort der Kung-Fu oder Wushu Kampfstile. Es bildeten sich auf Ryu Kyu die vier nahegelegenen Ortschaften Shuri, Tomari, Naha und Kume zu den Entwicklungszentren des Karate und Kobudo aus. In den gängigen Aufzählungen wird Kume oftmals nicht genannt, jedoch ist es ein bedeutsamer Ort. Im Austausch der Meister untereinander, entstanden diese beiden Richtungen des Karate. Zum einen das Shorin Ryu mit starker Verbindung zum flinken und wendigen, bewaffneten Kampf/ Kobudo und den Prinzipien des japanischen Schwertes. Zum anderen das Shorei Ryu, welches chinesischen Stilen deutlich nahe blieb und starken Wert auf Abhärtung des eigenen Körpers und fest verwurzelte Stände legt. Da die Shorin Linie Angriffe mit scharfen Schneiden ebenbürtig mit unbewaffneten Angriffen in ihre Konzeptüberlegung einbezieht, legt sie Wert auf leichte und wendige Bewegungen und Stände, welche durch stetes Brechen der Balance unverwurzelt dynamisch sind. Da man seinen Körper nicht gegen Klingenwaffen abhärten kann, stehen das Enbusen der Kata als schmale Linie und entsprechend abgedrehte Haltungs- und Dynamikprinzipien (Hanmi) im Vordergrund des Shorin Ryu Trainings. Unsere Karaterichtung Shorin-Ryu hat ihre Wurzeln in Shuri und Tomari.

Sakugawa. Eine der wichtigsten Kata des Shorin-Ryu, die Kushanku, wurde nach diesem chinesischen Lehrer benannt. Sakugawa Kanga (auch Tode -China Hand- Sakugawa, ca 1733-1815) war Schüler Kushankus oder von dessen Schüler Chatan Yara. Sakugawas bekannte Schüler waren Okuda, Makabe und Matsumoto. Matsumoto erhielt das „Menkyo Kaiden“ und damit das Stilerbe. Makabe und evtl. auch Sakugawa selbst, unterrichteten Matsumora Kosaku aus Tomari und den für die Ausgestaltung der Shorin Linie sehr bekannten Matsumora Sokon (ca 1800-1898). Aufgrund der Geburts-/ Sterbedaten von Sakugawa und Matsumura, ist ist es kaum wahrscheinlich, dass Sakugawa der hauptsächliche Einfluss auf Matsumura war. Sakugawa verschmolz das native Te (Di) mit dem chinesischen (To) Kung Fu zu einer Kampfkunst und erhielt die anerkennende Titulierung „Todi Sakugawa“. Matsumura entwickelte hieraus unter Einbeziehung der Prinzipien japanischer Samurai das Shorin-Ryu. Eindeutig zugeordnet werden können ihm die Kata Naihanchi Shodan, Gojushiho und die Kushanku.

Zu den wenigen schriftlichen Zeugnissen dieser Zeit, gehören von Tobe Yoshihiro um 1762 verfasste Berichte. Es sind Interviews mit der Besatzung eines Schiffes, welches auf dem Weg nach China war, jedoch auf Okinawa strandete. Die Zusammenfassung wird Oshima Hikki (Aufzeichnungen der großen Insel) genannt und in ihnen befindet sich auch ein Interview mit einem Seemann, der den Namen Kushanku erwähnt. Demnach erreichte Koshankin (Kushanku) Okinawa, begleitet von einigen Schülern Okinawa in einem chinesischen Handelsschiff und strandete nun auf dem Rückweg.

 

Karateunterricht wird öffentlich.

Karate wird um 1900 öffentlich und verbreitet sich ca 20 Jahre über die Hauptinsel Japans in der ganzen Welt. Viele Lehrer, Intrukteure oder einfach solche, die es eine Weile irgendwo praktizierten, sahen sich dazu berufen, eigene Stilrichtungen zu formen und abzugrenzen. Das Zeitalter der „10000 Stile“ war geboren. Mehr zur Anfangszeit der Veröffentlichung des Karate gibt es bei „den Vätern des modernen Karate“.